Biobrot-Massaker im Problembezirk

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Ich bin ja nun wirklich nicht so ein Öko-Fanatiker. Trotzdem, dachte ich mir letztens, tue ich mir doch mal was Gutes und gehe zum SB-Bäcker um die Ecke und hole mir ein schönes, knuspriges Vollkorn-Biobrot. Die Strafe folgte auf dem Fuße.

So ein Biogebäck hat nämlich seine Tücken. Und die stellten mich vor Probleme, die ich beim guten Aldibrot noch nicht hatte.
Warum haben die so ein dämliches Bio-Siegel auf die Kruste geklebt? Ist das etwa ökologisch bewusst? Ist das essbar und ist mit seinen Ballaststoffen meiner Gesundheit zuträglich? Oder ist es doch nur mit Chemiekleber und -farbe bearbeitetes Papier?

Dass allein die Tatsache, sich bei einem dieser sozialunverträglichen Selbstbedienungsbäckereien ein Ökobrot zu holen und damit was Gutes tun zu wollen, ein Widerspruch in sich ist, dessen war ich mir durchaus bewusst.
Doch was soll man schon machen, hier im Problembezirk Neukölln, wo „normale“ Bäcker mit Migrationshintergrund eigentlich nur deswegen ihren Laden führen, um unterm Tresen vom LKW gefallene LCD-Fernseher zu verticken?

Also doch lieber die automatisierten Brotbackdienstleister, wo man weiß, dass die Angestellten ordentliche Harzt-IV-Empfänger mit 1-Euro-Job-Vertrag sind und sich um die große halblegale Karriere keine Gedanken machen.

Da sehe ich also dieses leckere Biobrot im Regal und mein Körper schreit nach einer Wohltat: Mhhhm.
Ich leg das Backstück auf ein rotes Plastik-Tablett (das ich aus einem anderen Regal habe, über dem ein großes Blatt mit der Aufschrift „Saubere Tabletts“ hängt - als müsse man das extra betonen.)
Ich zur Kasse, um zu bezahlen. Hinterm Tresen erwartet mich schon die etwas unzufrieden wirkende, aber höfliche fünfzigjährige Armutsgrenzen-Berlinerin, um mich abzukassieren, und sagt:

„Tag. Das macht einen Euro und neunundsiebzig Cent.“
Ich krame in meiner Brieftasche nach dem Kleingeld und sie fragt mich:
„Darf ich Ihnen das in eine Tüte packen?“
„Ja, gern. Selbstverständlich“, antworte ich. „Das wird ja in normalen Bäckereien auch so gemacht.“
Sie greift also nach dem Brot und steckt es in eine Tüte, während sie sagt:
„Ja, aber das ist ja so eine Sache, ich kann meine Hände so oft waschen wie ich will, aber die sind dann doch immer wieder dreckig von dem ganzen Kleingeld.“
Näää, denke ich, das hätte ja jetzt nicht sein müssen. Ich schaue sie verdutzt und etwas angeekelt an, lege das Geld auf den Tresen und packe mein schönes, Geldfingerschmodder verdrecktes Biobrot in die Tasche.

Zuhause versuche ich direkt das Bio-Gütesiegel abzumachen und stelle fest: Das ist gar nicht so einfach. Der Aufkleber scheint angebacken zu sein!

Schweinerei, denke ich. Und knibbel das Ding von der leckeren Kruste ab.

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Wobei besagte Kruste leider ebenfalls dran glauben muss. Und dann, für einen kurzen Moment spinnt sich alles in meinem Kopf zusammen: Biobrot und 1-Euro-Jobs, dreckiges Geld und Rationalisierung im Einzelhandelssektor.
Ja, ja, die Welt ist ein Sauhaufen. Und ich mach mit.

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